Was ist eigentlich ein Pflichtverteidiger?

Stefan Heiermann | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht

In Film und Fernsehen wird dem Angeklagten vom Gericht häufig ein Rechtsanwalt als so genannter Pflichtverteidiger zur Seite gestellt. Dabei entsteht dann zumeist der Eindruck, dieser Anwalt sei eine Art „Anwalt für Arme“, da die Staatskasse die Kosten der Verteidigung übernehme. Damit verbunden ist regelmäßig auch der fade Beigeschmack, ein Pflichtverteidiger sei verpflichtet, die Verteidigung zu übernehmen – ob er nun wolle oder nicht – und würde diese daher nicht besonders gewissenhaft sondern eher nachlässig betreiben. Tatsächlich ist dem aber nicht so: Das Gesetz bestimmt, dass einem Beschuldigten bzw. einem Angeklagten unter bestimmten Voraussetzungen ein Anwalt an die Seite zu stellen ist. Diesen Anwalt nennt man dann „Pflichtverteidiger“ und die Kosten trägt zunächst die Staatskasse. Dabei ist der jeweilige Anwalt allerdings nicht verpflichtet, die Verteidigung zu übernehmen. Vielmehr ist der Staat verpflichtet in gewissen Fällen dafür zu sorgen, dass einem Betroffenen ein Anwalt zur Seite gestellt wird. Dies bezeichnet man als Beiordnung, ist jedoch nicht etwa abhängig von den finanziellen Mitteln des Angeklagten, sondern von der Schwere des Tatvorwurfes und der allgemeinen strafprozessualen Situation. Sinn und Zweck einer Pflichtverteidigerbeiordnung ist es nämlich, die Verfahrensrechte eines Beschuldigten zu sichern und ihm durch eine wirksame Verteidigung ein faires Verfahren zu ermöglichen, also für Waffengleichheit zwischen den Verfahrensbeteiligten (Anklage einerseits und Verteidigung andererseits) zu sorgen und damit ein ausgewogenes Kräfteverhältnis zu schaffen. Hauptanwendungsfälle einer Pflichtverteidigerbeiordnung sind „die Unfähigkeit eines Beschuldigten, sich selbst zu verteidigen“ sowie „die aufgrund der Schwere der Tat zu erwartenden Rechtsfolgen“. Ersteres kann sich aus unterschiedlichen Umständen ergeben, z. B. dem Geistes- oder Gesundheitszustand, besonders schwierigen Umständen des Einzelfalles, Sprachproblemen bei Ausländern oder einem sehr hohen bzw. jungen Alter. Die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen wird unter anderem angenommen bei einer Straferwartung ab einem Jahr Freiheitsstrafe (auch im Fall einer möglichen Aussetzung der Strafe zur Bewährung), wenn das Verfahren vor einem Schöffengericht stattfindet, wenn mehrere Personen angeklagt werden und einer anderen Person bereits ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist, bei einem drohendem Bewährungswiderruf in anderer Sache und bei Abschiebung von Ausländern. Die Kosten einer Pflichtverteidigung trägt zunächst die Staatskasse, wird diese jedoch nach Abschluss des Verfahrens von dem Betroffenen zurückfordern, es sei denn der Angeklagte wird freigesprochen. Bei einem Freispruch fallen die Kosten der Verteidigung der Staatskasse zur Last.

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