Das Impfdebakel im Lichte der Unterlassenen Hilfeleistung

Stefan Heiermann | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht

„Wir müssen gucken“, „wir müssen reden“, „wir müssen bewerten“ diese Phrasen konnte man Mitte März im Radio aus dem Munde des Gesundheitsministers des Landes NRW vernehmen, als er vom öffentlich rechtlichen Radio in einem Interview auf die steigenden Infektionszahlen angesprochen wurde. Wer etwa auf ein „wir werden handeln“ wartete, tat dies vergebens.
Was man seitens der Politik so alles unternimmt, unterlässt oder unternehmen will, beschäftigt mittlerweile mehr und mehr die Gemüter und ein Schelm wäre, wer das „Krisenmanagement“ der Regierung als eine Unterlassene Hilfeleistung ansehen würde.
Doch was ist eigentlich eine Unterlassene Hilfeleistung?
§ 323c Absatz 1 des Strafgesetzbuches (StGB) definiert das so: Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Die Vorschrift stellt also die Verletzung einer Hilfspflicht bei Unglücksfällen oder allgemeiner Gefahr unter Strafe. In Betracht kommt hier das Vorliegen einer „gemeinen Not“, denn Kennzeichen einer gemeinen Not ist unter anderem der Ausbruch von Seuchen und es liegt zumindest nicht fern, die Corona-Pandemie als eine Seuche zu betrachten. Täter des § 323c kann jeder sein und Tathandlung ist das Unterlassen von Hilfe, wobei die Hilfe nach einer objektiv nachträglichen Prognose erforderlich und möglich sein muss, so die überwiegende Ansicht in der rechtlichen Literatur. Demnach führt also eine Unmöglichkeit zur Hilfeleistung grundsätzlich zum Entfallen der Pflicht, es sei denn, der Täter hat die Unmöglichkeit zurechenbar und schuldhaft verursacht.
Spätestens an dieser Stelle wird man die Prüfung auf eine etwaige Strafbarkeit abbrechen können, denn so konsterniert man auch sein mag, über das was derzeit so geschieht, kommt man trotzdem nicht zu einer Tatbestandsverwirklichung (und übrigens wohl auch kaum zu einem Vorsatz). Das Vorliegen einer gemeiner Not wird man bejahen können, auch könnten Politiker Täter des § 323c sein. Allerdings mag zwar das Gebaren der Verantwortlichen ungeschickt wirken, tatsächlich aber ist das ernsthafte Bemühen um eine Krisenbewältigung vorhanden und ein Unterlassen von Hilfe, die eigentliche Tathandlung also, zu verneinen.
Der oben erwähnte Schelm sollte sich daher mit seiner Ansicht in Zurückhaltung üben. Das „Krisenmanagement“ – es mag einem gefallen oder nicht – stellt jedenfalls keine strafbare Handlung im Sinne einer unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c StGB dar.

Rechtsanwalt Heiermann
Fachanwalt für Strafrecht

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