Das vermeintliche Schnäppchen
Stefan Heiermann | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht
Folgendes Szenario: Sie machen einen klassischen Schaufensterbummel. Dabei entdecken Sie die lang ersehnte Rolex-Armbanduhr in der Auslage eines Juweliergeschäfts und – Sie können Ihre Begeisterung kaum zügeln – das Stück Ihrer Begierde ist mit einem sagenhaften Preis von lediglich 850 Euro ausgezeichnet, was es zu einem absoluten Schnäppchen macht. Sie spurten also zum nächstgelegenen Geldautomaten, heben mit steigender Vorfreude den entsprechenden Betrag ab und eilen voller Glückseligkeit zurück zum Geschäft. Völlig außer Atem legen Sie das Geld auf den Verkaufstisch und sagen: „Die Rolex aus dem Schaufenster für 850 Euro bitte!“ – Und dann kommt die Ernüchterung! Denn statt Ihre Begeisterung zu teilen, und den Grund zu liefern, heute Abend die Korken knallen zu lassen, wirft der Verkäufer einen skeptischen Blick in seine Auslage und eröffnet Ihnen entschuldigend, dass es sich leider um eine versehentliche Falschauszeichnung handelt und dass auf dem Preisschild eine Null vergessen wurde. Falls Sie aber dennoch Interesse an der Rolex hätten, könnten Sie diese freilich gern, dann jedoch zu dem tatsächlichen Preis von 8.500 Euro erwerben. Das darf doch wohl nicht wahr sein, oder? Haben Sie einen Anspruch darauf, dass Ihnen die Uhr zum Preis von 850 Euro verkauft wird? Nach deutschem Recht kommen Kaufverträge durch zwei korrespondierende Willenserklärungen zu Stande, nämlich durch ein Angebot und die Annahme dieses Angebots. Beide Erklärungen sind rechtlich bindend. In dem oben dargestellten Beispiel unterbreitet der Verkäufer ein entsprechendes Angebot indem er die Uhr zum (tatsächlichen) Preis von 8.500 Euro anbietet. Die Angabe auf dem Preisschild stellt indes eben gerade kein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags dar. Tatsächlich handelt es sich dabei lediglich um eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots, eine so genannte „invitatio ad offerendum“. Erst, wenn die so eingeladene Person ein Angebot abgibt und der andere das Angebot daraufhin annimmt, kommt ein Vertrag zustande. Der Juwelier hat also mit der Auslage in seinem Schaufenster kein Angebot zum Kauf abgegeben. Die Auslage diente stattdessen lediglich dazu, dass Kunden hereinkommen und ein Angebot zum Kauf abgeben. Da es sich bei der invitatio ad offerendum lediglich um eine bloße Aufforderung und nicht um ein bindendes Angebot handelt, fehlt beim Anbietenden der sog. Rechtsbindungswille, also der Wille einen Vertrag abzuschließen.
Für obiges Beispiel bedeutet dies, dass erst mit dem Satz „die Rolex aus dem Schaufenster für 850 Euro bitte“ ein Angebot mit Rechtsbindungswillen abgegeben wurde. Dieses hat der Verkäufer sodann abgelehnt und seinerseits ein neues Angebot unterbreitet, dieses Mal mit Rechtsbindungswillen, nämlich Ihnen die Rolex für 8.500 Euro zu verkaufen. Sie haben also keinen Anspruch gegen den Verkäufer darauf, dass er Ihnen die Uhr zum Preis von 850 Euro verkauft.
Übrigens stellen auch Warenangebote auf Internetseiten grundsätzlich lediglich eine invitatio ad offerendum dar. Eine Ausnahme gilt allerdings für Ebay-Angebote. Der dortige Verkäufer gibt ein verbindliches Angebot ab, wenn er seinen Artikel bei Ebay einstellt und verpflichtet sich damit dazu, seine angebotene Ware an den Höchstbietenden zu verkaufen.