Der Fotobeweis im Bußgeldverfahren

Stefan Heiermann | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht

Wer kennt das nicht…aus Versehen etwas zu sehr aufs Gas gedrückt und schon blitzt ein rotes Licht auf das einem unmissverständlich zu verstehen gibt, dass man da wohl etwas zu schnell unterwegs ist.
Kurze Zeit später wird man dann mit einem freundlichen Anschreiben beglückt, dem so genannten Anhörungsbogen, verbunden mit der Bitte sich als Beschuldigter zu dem hier nun gegenständlichen Tatvorwurf zu äußern. Auf dem Anhörungsbogen findet man auch ein Foto, regelmäßig ein solches, das den Fahrzeugführer erkennen lassen soll. Tatsächlich ist es aber in einer Vielzahl von Fällen aufgrund einer desolaten Bildqualität gar nicht möglich, die Person auf dem Foto einwandfrei zu identifizieren. Anstatt sich nun gegenüber der Bußgeldbehörde, die den Anhörungsbogen übersendet hat in irgendeiner Art zu äußern, sich womöglich selbst zu belasten obwohl das Gesetzt dem Betroffenen das Recht zugesteht schlichtweg zu Tatvorwürfen zu schweigen oder gar eine Vermutung ins Blaue hinein zu machen und womöglich einen anderen, den man auf dem Foto zu erahnen glaubt, fälschlich zu beschuldigen, sollte man anwaltlichen Rat einholen. Ein versierter Rechtsanwalt wird im Rahmen einer gut strukturierten Verteidigungsstrategie zunächst die amtliche Ermittlungsakte zwecks Akteneinsicht anfordern – ein Recht, dass nur dem Verteidiger nicht aber dem Betroffenen selbst zusteht. In der Akte befinden sich häufig weitere Fotos und Hinweise darauf, wie die Behörde dazu gekommen ist, den Tatvorwurf gegen eine bestimmte Person zu richten. Regelmäßig hat der Sachbearbeiter über das Kennzeichen den Fahrzeughalter ermittelt und sodann bei der für diesen zuständigen Führerscheinbehörde oder Gemeinde ein Vergleichsfoto (z.B. aus dem Führerschein oder Personalausweis) angefordert mittels dessen er einen Abgleich der abgebildeten Personen vornimmt. Die Praxis zeigt allerdings nicht selten recht verblüffende Ergebnisse, werden doch schließlich eine Vielzahl der Verfahren unter Mitwirkung eines fachlich spezialisierten Rechtsanwalts eingestellt. Ein Schelm wäre, wer nun dem Sachbearbeiter mangelnde Sorgfalt beim Bildabgleich unterstellen würde…allerdings möge die hohe Zahl der Einstellungen für sich sprechen.
Der Verteidiger hat jedenfalls bei schlechter Qualität der Beweisfotos eine gute Ansatzmöglichkeit, den Tatvorwurf zu entkräften, beispielsweise indem er die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Das Gutachten soll dann Beweis dafür erbringen, dass eine andere als die betroffene Person zum Tatzeitpunkt Führer des Fahrzeugs gewesen ist und der Betroffene daher als Täter des ihm hier zur Last gelegten Verstoßes ausscheidet. Das Gutachten soll mindestens den Nachweis erbringen, dass der Fahrzeugführer anhand der vermeintlichen Beweisfotos nicht zu identifizieren und daher zumindest der Zweifelssatz „in dubio pro reo“ (also: „Im Zweifelsfall für den Angeklagten“) zu seinen Gunsten anzuwenden ist. Zur Begründung wird dann angeführt, dass charakteristische Erkennungsmerkmale auf den Beweisfotos zu einem großen Teil verdeckt und nicht geeignet sind, eine Übereinstimmung mit dem Betroffenen festzustellen. Meist ist eine Wange des Fahrzeugführers gar nicht zu erkennen, ist das Tatbild unscharf und kontrastarm, sind Konturen des Gesichts im Bereich der Nasenflügel, des Nasenrückens und der Stirn nicht oder nur schwer erkennbar. Oft ist das gesamte obere Gesichtsdrittel, somit Stirn und Haaransatz, manchmal auch die Augen verdeckt und damit gar nicht sichtbar. Nicht selten ist eines der Ohren abgewandt, das andere in nur sehr unscharfer und kontrastloser Weise auszumachen. In Fällen dieser Art hat die Rechtsprechung eine schlechte Fotoqualität angenommen, so zum Beispiel auch das Oberlandesgericht in Hamm, das in unserer Region letztendlich als oberste Instanz zuständig wäre. Häufig kommt man so zu dem Ergebnis, dass das Beweisfoto aufgrund seiner schlechten Qualität zur Identifikation des Fahrzeugführers ungeeignet ist. Ist das Foto zur Identifikation ungeeignet – so wiederum das OLG Hamm – ist der Betroffene freizusprechen. Damit liegt die Annahme eines Freispruchs in der Hauptverhandlung nahe, zumindest aber näher als die einer Verurteilung und das Verfahren ist einzustellen.
Der Weg zum qualifizierten Rechtsanwalt, z. B. zu einem Fachanwalt für Strafrecht, zahlt sich daher oftmals aus. Insbesondere wenn „Flensburger Punkte“ oder Fahrverbote drohen, sollten sich Betroffene anwaltlichen Rat suchen bevor sie sich in der Sache gegenüber den Behörden äußern. Der anwaltliche Rat muss auch nicht teuer sein, denn Anwaltskosten übernimmt in der Regel die Verkehrsrechtschutzversicherung, sofern der Versicherungsvertrag bereits zum Zeitpunkt des vorgeworfenen Verstoßes abgeschlossen war.

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