Die grundrechtlich verbürgte Freiheit von Selbstbelastungszwang

Stefan Heiermann | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht

Niemand darf gezwungen werden, sich selbst zu belasten (lat.: nemo tenetur se ipsum accusare). Dieser bereits dem römischen Recht entspringende Grundsatz gehört zu den anerkannten Prinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens und ergibt sich im deutschen Recht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetztes. Der Nemo-Tenetur-Grundsatz greift, wenn es zu Konfrontationen zwischen staatlicher Gewalt und Bürgern kommt. Dem Beschuldigten in einem Strafverfahren steht es danach frei, sich zum Tatvorwurf zu äußern oder von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. In der Strafprozessordnung findet sich dieses Schweigerecht in den §§ 136 Absatz 1 Satz 2 und 243 Absatz 5 Satz 1 wieder. Auch im Übrigen darf der Beschuldigte nicht gezwungen werden, aktiv an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Er ist also nicht zur Mitwirkung an gegen ihn gerichteten Untersuchungshandlungen verpflichtet und darf daher zum Beispiel nicht dazu gezwungen werden, einen Atemalkoholtest zu machen, Kontrastmittel für Röntgenaufnahmen einzunehmen oder sich einem EKG zu unterziehen. Auch für Zeugen ist der Nemo-Tenetur-Grundsatz von Bedeutung. § 55 Absatz 1 der Strafprozessordnung regelt das so genannte Auskunftsverweigerungsrecht: „Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Absatz 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.“ Obwohl Beschuldigte und Zeugen auf die ihnen zustehenden Rechte hinzuweisen sind, kommt es in der Praxis nicht selten vor, dass entsprechende Belehrungen unterbleiben. Wer sich also in der Rolle eines Beschuldigten wiederfindet oder Zeuge mit Belastungsrisiko sein könnte, der möge stets an eine alte Weisheit denken: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Mein Motto für Mandanten in Straf- und Bußgeldsachen lautet: Beschuldigt? Schweigen und Anrufen!

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