Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerstrafrecht

Stefan Heiermann | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht

Am 01.01.2015 ist das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung in Kraft getreten, wodurch sich Neuregelungen der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordung (AO) ergeben haben.
Nach zuvor geltender Rechtslage konnte Straffreiheit durch eine Selbstanzeige nur erlangt werden, wenn bestimmte inhaltliche Voraussetzungen erfüllt waren, Sperrgründe nicht vorlagen und die hinterzogenen Steuern in angemessener Frist nachentrichtet wurden. Lag eine dieser Voraussetzungen nicht vor, war die Anzeige nicht vollständig oder unterlief bei der Erstellung oder Abgabe der Anzeige ein Fehler, so trat keine Straffreiheit ein.
Insbesondere in vier Bereichen hat die neue Rechtslage zu erheblichen Änderungen, z.T. sogar zu einer Verschärfung der Voraussetzungen der strafbefreienden Wirkung einer Selbstanzeige geführt:
1. Der Berichtigungszeitraum wurde auf alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber auf alle Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Jahre (zuvor fünf Jahre) ausgedehnt.
2. Die Erlangung der Straffreiheit über eine Selbstanzeige ist nach nun geltendem Recht ausgeschlossen, wenn der hinterzogene Betrag je Steuerart und Besteuerungszeitraum 25.000,00 € (vormals 50.000,00 €) übersteigt. Bei einem Überschreiten dieses Schwellenwertes wirkt die Selbstanzeige für diese konkrete Tat nicht mehr strafbefreiend. In Betracht kommt dann nur noch das Absehen von einer Strafverfolgung nach § 398 a AO – so wie im Folgenden dargestellt.
3. Von der Verfolgung der Steuerstraftat, bei der etwa wegen des Überschreitens des Schwellenwertes eine strafbefreiende Selbstanzeige ausgeschlossen ist, kann abgesehen werden. Voraussetzung dafür ist zum einen die Zahlung der hinterzogenen Steuern sowie der Hinterziehungszinsen gem. § 235 AO (und der anzurechnenden Zinsen nach § 233 a AO) binnen einer angemessenen Frist, die das Finanzamt bestimmt. Eine weitere Voraussetzung ist die Zahlung eines in § 398 a I Nr. 2 AO bestimmten Betrages (des so genannten „Strafzuschlags“) an die Staatskasse. Bei Hinterziehungsbeträgen bis zu 100.000,00 € beträgt dieser 10 % der hinterzogenen Steuer, bei hinterzogenen Steuern von mehr als 100.000,00 € bis zu 1 Million € hinterzogener Steuern beträgt er 15 % und bei mehr als 1 Million € hinterzogener Steuern sind 20 % des Hinterziehungsbetrages fällig. Bei dem Schwellenwert von 25.000,00 € handelt es sich um eine Freigrenze, nicht um einen Freibetrag. Daher ist der Prozentbetrag auf den gesamten Hinterziehungsbetrag anzuwenden.
Bei alledem gilt ein so genanntes Kompensationsverbot. Das bedeutet, dass es für die Ermittlung des der Berechnung des Zuschlags zu Grunde zu legenden Hinterziehungsbetrages unerheblich ist, ob die hinterzogene Steuer aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können. Die Bemessungsgrundlage des Zuschlags ist damit z.B. bei der Umsatzsteuerhinterziehung nicht die Zahllast, sondern die entstandene Umsatzsteuer. Auf die anzurechnende Vorsteuer kommt es nicht an, selbst wenn anstelle einer Zahllast auf Grund der Vorsteuer ein Vorsteuererstattungsanspruch ergibt. Die steuerrechtlich zulässige und gebotene Kompensation durch Abzugsposten führt also nicht zu einer Verringerung des der Berechnung des Zuschlages zu Grunde zu legenden Hinterziehungsbetrages.
4. Die ursprünglich stark eingeschränkte Möglichkeit der nachträglichen Korrektur von Umsatzsteuervor- und Lohnsteueranmeldungen wurde entschärft und entkriminalisiert. Eine Sonderregelung lässt nun Ausnahmen vom Vollständigkeitsgebot (daher kann nunmehr eine korrigierte Voranmeldung eingereicht werden) und dem Ausschlussgrund der Tatentdeckung (somit kann die verspätete Erklärung nachgeholt werden) zu. Außerdem gilt hier der Schwellenwert nicht, so dass auch Beträge über 25.000,00 € diese „Teilselbstanzeige“ nicht sperren.
Neben den vorbenannten Punkten wurden mit Gesetzesänderung noch weitere Änderungen vorgenommen. Waren z.B. bislang lediglich die hinterzogenen Steuern nachzuentrichten, so sind jetzt zur Erlangung der Straffreiheit auch die Hinterziehungszinsen des § 235 AO und die Zinsen nach § 233 a AO, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden, innerhalb einer vom Finanzamt zu bestimmenden, angemessenen Frist zu zahlen. Der Sperrwirkung entfaltende Ausschlussgrund der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung und der Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens ist erweitert worden und betrifft nun nicht mehr nur den Täter sondern auch den an der Tat Beteiligten. Neu eingeführt wurde z.B. auch der Sperrgrund des Erscheinens (und sich Ausweisens) eines Amtsträgers der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer- oder Lohnsteuernachschau nach § 27 b UStG bzw. § 42 EStG sowie einer Nachschau nach steuerrechtlichen Vorschriften. Andererseits wurde nunmehr klargestellt, dass die Sperrwirkung der (angekündigten) Außenprüfung auf deren sachlichen und zeitlichen Umfang beschränkt ist, so dass nicht unter die Prüfungsanordnung fallende Steuerstraftaten einer Steuerart weiterhin Gegenstand einer Selbstanzeige sein können.
Aufgrund der Komplexität des Vorgangs von Selbstanzeigen, insbesondere der Frage nach Art und Umfang der Informationsweitergabe an die Finanzverwaltung ist dringend zu empfehlen, dabei kompetente Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine solche kann ein spezialisierter Strafverteidiger bieten, der in diesem Zusammenhang nicht selten mit Steuerberatern und/oder Wirtschaftsprüfern zusammen arbeitet.

S. Heiermann
Rechtsanwalt & Avvocato
Fachanwalt für Strafrecht

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