Neuregelung des Rechtsberatungsrechts zum 01. Juli 2008

Stefan Heiermann | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht

Am 01.Juli 2008 tritt das Rechtsdienstleistungsgesetz in Kraft und löst damit das bisherige Rechtsberatungsgesetz aus dem Jahr 1935 ab. Welche Folgen sich daraus für Rechtssuchende ergeben, hat der Wochenkurier im Interview mit Rechtsanwalt Stefan Heiermann aus Wetter-Grundschöttel erörtert.

Wochenkurier: Herr Heiermann, was versteht das Gesetz eigentlich unter einer Rechtsdienstleistung?
RA Heiermann: Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Inkassodienstleistungen sind immer Rechtsdienstleistungen. Im Gegensatz dazu stellen die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten, Streitschlichtung, schiedsrichterliche Tätigkeiten, betriebliche Mediation und Interessenvertretung ebenso wenig eine Rechtsdienstleistung dar, wie an die Allgemeinheit gerichtete Darstellungen und Erörterungen von Rechtsfällen und Rechtsfragen in den Medien.
WK: Weshalb hat der Gesetzgeber die Definition der Rechtsdienstleistung im Gesetz verankert?
RAH: Weil es nur bei entsprechender Qualifikation erlaubt ist, Rechtdienstleistungen zu erbringen. So wird der Bürger vor unqualifiziertem Rechtsrat und den daraus resultierenden Folgen geschützt. Die Betätigung juristischer Laien auf einem Gebiet mit rechtlichem Bezug wird geregelt. Rechtsdienstleistungen sind grundsätzlich nur den Rechtsanwälten und den zum Richteramt befähigten Personen vorbehalten. Das Rechtsdienstleistungsgesetz schafft nun Ausnahmen, allerdings lediglich für Tätigkeiten im außergerichtlichen Bereich und selbst dort nur in begrenztem Umfang. Dieser Vorbehalt soll eine Qualitätssicherung gewährleisten. Immerhin unterliegen die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und die Befähigung zum Richteramt hohen Voraussetzungen, nämlich dem Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums und dem Bestehen zweier juristischer Staatsexamina.
WK: In welchen Bereichen wird der Bürger künftig die gesetzliche Neuregelung bemerken?
RAH: In verschiedenen. Große Automobilklubs werden bestrebt sein, Ihren Mitgliedern künftig Dienstleistungen anzubieten, die bisher der Rechtsanwaltschaft und den zum Richteramt Befähigten vorbehalten waren. Banken und Sparkassen eröffnet sich neues Betätigungsfeld auf dem Gebiet der geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckung. Inkassounternehmen können künftig Mahn- und Vollstreckungsverfahren für Ihre Kunden betreiben und Kfz-Werkstätten dürfen Ihren Kunden ab Juli dieses Jahres allgemeine Rechtsauskünfte hinsichtlich der Schadensabwicklung erteilen.
WK: Das bedeutet, ich kann zukünftig eine Kfz-Werkstatt damit beauftragen, die Regulierung meines Unfallschadens vorzunehmen?
RAH: Nein, das nicht. Sofern eine Unfallregulierung außergerichtlich scheitern würde, wäre bereits kein Raum mehr für die Tätigkeiten des Nichtjuristen. Aber auch schon dann, wenn einzelne Schadenspositionen strittig sind, handelt es sich um eine Rechtsdienstleistung, deren Erbringung den dazu Qualifizierten vorbehalten ist. Dies zeigt, dass nur begrenzt Raum bleibt, für Tätigkeiten derer, die nicht der Rechtsanwaltschaft angehören oder die nicht die Befähigung zum Richteramt besitzen. Sobald rechtliche Prüfungen des Einzelfalls vorzunehmen sind, wird der Weg zum Anwalt führen, dessen Kosten übrigens im Gegensatz zu denen der beratenden Werkstatt, im Fall des unverschuldeten Verkehrsunfalls von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu ersetzen sind.
WK: Was ist mit den Kosten, die dem Rechtssuchenden entstehen, wenn ein Inkassobüro mit der Wahrnehmung einer Forderungsdurchsetzung beauftragt wird?
RAH: Tätigkeiten des Inkassounternehmens sind in außergerichtlichen Mahnverfahren lediglich bis zu einem Betrag von 25,00 Euro erstattungsfähig. Die Kosten des Rechtsanwalts hingegen richten sich nach dem jeweiligen Gegenstandswert und sind dann im Rahmen des Schadensersatzes voll erstattungsfähig.
WK: Darf denn jeder Inkassoleistungen erbringen?
RAH: Nein, außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, zu denen die Inkassotätigkeiten zählen, dürfen nur diejenigen erbringen, die über eine besondere Sachkunde auf diesem Gebiet verfügen und offiziell registriert sind. Die Registrierung erfolgt auf Antrag und bei Nachweis der entsprechenden Sachkunde und kann dann öffentlich z.B. unter www.rechtsdienstleistungsregister.de im Internet eingesehen werden. Tätigkeiten nicht registrierter Anbieter sind auf diesem Gebiet unzulässig.
WK: Ist auch kostenloser Rechtsrat erlaubnispflichtig?
RAH: Unentgeltliche außergerichtliche Rechtdienstleistungen werden künftig grundsätzlich zulässig sein. Allerdings kann kostenloser Rat unter Umständen teuer werden; um gemeinnützigen Organisationen nicht die Bürde hoher Versicherungsprämien aufzuerlegen, ergibt sich hier ein großer Unterschied für den Rechtssuchenden: Irren ist bekanntlich menschlich, kann aber bei falsch erteiltem Rechtsrat mitunter katastrophale finanzielle Einbußen für den Rechtssuchenden nach sich ziehen. Wer falsch berät kann regelmäßig in Regress genommen werden. Wem nützt jedoch die Regressmöglichkeit, wenn der Berater sich als nicht liquide herausstellt? Wer registrierte Anbieter oder die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch nimmt, wird nachhaltig geschützt denn registrierte Anbieter sind ebenso wie Rechtsanwälte zum Abschluss einer Vermögenshaftpflichtversicherung verpflichtet. Nur dadurch ist im Regressfall – z. B. bei Falschberatung – die Liquidität des Ersatzpflichtigen garantiert, was dem Auftraggeber in wirtschaftlicher Hinsicht eine zuverlässige Absicherung bietet. Andernfalls muss der Rechtssuchende stets das Risiko in Kauf nehmen, dass er im Fall einer Falschberatung, auf seinem daraus resultierenden Schaden sitzen bleibt.
WK: Das Kostenrisiko ist ein interessanter Punkt. Was ist mit den Rechtssuchenden, die es aus Kostengründen scheuen, einen Rechtsanwalt aufzusuchen?
RAH: Guter Rat durch einen Rechtsanwalt muss nicht teuer sein. Rechtsschutzversicherungen können das Kostenrisiko abdecken. Wer sich keine Rechtsschutzversicherung leisten kann, hat die Möglichkeit, bei Gericht Prozesskostenhilfe zu beantragen oder einen Antrag auf Beratungshilfe zu stellen.
WK: Ist künftig mit Billigdienstleistungen durch Rechtsanwälte zu rechnen?
RAH: Sicher nicht. Anwaltliche Dienstleistungen zeichnen sich durch höchste Qualität aus. Sie unterliegen einem speziellen Berufsrecht und der Gebührenrahmen für anwaltliche Tätigkeiten wird grundsätzlich vom Gesetzgeber vorgegeben. Bestimmt werden die Automobilclubs für Ihre Mitglieder neue Angebote schaffen. Auch auf dem Inkassosektor wird sich etwas tun. Dies wird zwar den Markt beleben, jedoch nicht zu Dumpingpreisen führen. Qualität hat ihren Preis und letztendlich bleibt es dabei, dass vor Gericht der Anwalt gefragt ist. Warum also nicht weiterhin und von Anfang an, alles in eine Hand, nämlich die des Rechtsanwalts geben, der eine Angelegenheit beginnend mit einer garantiert qualifizierten Rechtsberatung über ein gerichtliches Verfahren bis hin zur Vollstreckung von Forderungen abwickeln kann.
WK: Herr Heiermann, danke für dieses Interview.
– Ende –

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