Unfall- oder Betriebsschaden – Wann zahlt die Vollkaskoversicherung?

Stefan Heiermann | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht

Ein geplatzter Reifen beschäftigte das Landgericht Karlsruhe, da ein Versicherungsunternehmen die Regulierung eines Kaskoschadens verweigerte und dies damit begründete, es handle sich im konkreten Fall nicht um einen Unfall- sondern um einen so genannten‚ Betriebsschaden.
Tatsächlich besteht für Versicherer ein erheblicher Argumentationsspielraum denn die Ursache für den Reifenplatzer ist entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob ein versicherter Schaden vorliegt oder eben nicht.
Die Abgrenzung zwischen einem Unfall- und einem Betriebsschaden ist häufig nicht ganz einfach. In seinem Urteil aus dem Jahr 2013 beschäftigte sich das LG Karlsruhe mit der Abgrenzung des Unfallbegriffs und des Betriebsschadens, denn nach Maßgabe der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Kaskoschäden (AKB) setzt die Eintrittspflicht voraus, dass sich um einen Unfallschaden und eben nicht um einen Betriebsschaden handelt.
Ein Fahrzeugunfall ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Dementgegen sind z. B. folgende Fälle als Betriebsschäden anzusehen: Schäden am Fahrzeug durch rutschende Ladung oder durch Abnutzung, Verwindungsschäden, Schäden aufgrund von Bedienungsfehlern oder Überbeanspruchung des Fahrzeugs. Die Beispiele zeigen, dass letztlich ein derart großer Auslegungsspielraum besteht, dass nahezu jeder Unfall als Betriebsvorgang qualifiziert werden könnte und somit der Versicherungsschutz leer laufen würde. Dem ist das LG Karlsruhe in seiner Entscheidung entgegen getreten indem es den Betriebsschaden enger ausgelegt hat.
Konkret ging es in dem Fall den das Gericht zu entscheiden hatte um Folgendes: Der Kläger war mit seinem vollkaskoversicherten Auto auf der Autobahn unterwegs als plötzlich der hintere rechte Reifen platze und dabei weiteren Schaden an den angrenzenden Karosserieteilen verursachte. Ein Sachverständiger stellte dann fest, dass Ursache des Reifenplatzers eine so bezeichnete Einfahrverletzung durch einen größeren Fremdkörper (Schraube, Bolzen oder Ähnliches) war und dass der Reifen bereits Vorschäden durch allgemeinen Verschleiß aufwies, wobei die Vorschäden nur schadensbegünstigend, nicht aber schadensursächlich waren. Der Kläger war der Auffassung, es handle sich um einen Unfall im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Kaskoschäden und seine Versicherung müsse den Schaden als Unfallschaden behandeln und regulieren. Die Beklagte, also die Versicherung, hingegen vertrat die Auffassung, es handle sich um einen typischen Abnutzungsschaden und somit um einen nicht versicherten Betriebsschaden.
Das Landgericht hat zu Gunsten des Klägers entscheiden und der Klage stattgegeben. Begründet hat es dies damit, dass der Fahrer nicht mit den größeren Teilen, die auf der Straße lagen, rechnen musste, diese sich in die Reifeninnenseite arbeiteten und für den Schaden verantwortlich waren. Das LG Karlsruhe kam daher zu einem erstattungspflichtigen Kaskoschaden.
Der Fall macht deutlich, dass es ratsam ist, sich anwaltliche Hilfe zu suchen wenn die Kaskoversicherung die Regulierung verweigert und dies mit einem vermeintlichen Betriebsschaden begründet.

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