Urteil: „Lebenslänglich“!

Stefan Heiermann | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Strafrecht

Der NSU-Prozess um Beate Zschäpe und ihre Mitangeklagten hat nach vielen Jahren ein – zumindest vorläufiges – Ende gefunden. Das Oberlandesgerichts München hat die Hauptangeklagte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Sollte das Urteil einer Überprüfung durch den Bundesgerichtshof standhalten und damit in Rechtskraft erwachsen, so beginnt die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe.
Aber was bedeutet eigentlich „lebenslänglich“ im deutschen Recht? „Lebenslänglich“ bedeutet „ein Leben lang“. Die lebenslange Freiheitsstrafe ist als Ausnahmefall der zeitlich begrenzten Freiheitsstrafe zu sehen. Ihre Dauer ist unbestimmt. Sie kann jedoch grundsätzlich nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden, falls sich der Täter während der Haftzeit nichts weiter hat zu Schulden kommen lassen. Somit besteht zumindest die Möglichkeit, dass auch Mörder nach 15 Jahren wieder auf freien Fuß kommen.
Werden mehrere Taten abgeurteilt und ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt, § 54 I Strafgesetzbuch (StGB). Eine Verurteilung wegen mehrfachen Mordes führt übrigens nicht zu mehreren lebenslangen Freiheitsstrafen, sondern lediglich zu „einer“ lebenslangen Freiheitsstrafe. Urteile wie in sie zum Teil in anderen Ländern möglich sind, also beispielsweise „zweimal lebenslang wegen Doppelmordes“ gibt es in Deutschland seit einer Gesetzesänderung im Jahr 1986 nicht mehr. Allerdings wird in solchen Fällen, wie auch im Fall Zschäpe, ein Urteilszusatz hinzukommen mit dem das Gericht die besondere Schwere der Schuld feststellt was dann entsprechende Auswirkungen haben wird. Eine besondere Schuldschwere ist immer dann festzustellen wenn gegenüber anderen, ähnlichen Taten ein wesentlich größeres Maß an Schuld vorliegt, z.B. bei vielfachem Mord, kaltblütiger Brutalität, besonderer Verwerflichkeit der Tatmotive, in der Täterpersönlichkeit abartige sexuelle oder auch gewalttätige Neigungen veranlagt sind etc..
Wird die besondere Schwere der Schuld festgestellt, so scheidet eine Strafaussetzung zur Bewährung nach nur 15 Jahren aus und die Haft wird dann noch keinesfalls beendet sein. Vielmehr wird die zuständige Strafvollzugskammer sodann darüber entscheiden, welches weitere Strafmaß der Täter noch zusätzlich zu verbüßen haben wird. Eine fixe Obergrenze gibt es dabei nicht. In der Regel werden in Deutschland aber nicht mehr als weitere 10 Jahre verhängt, so dass die lebenslange Haftstrafe zumindest in unserem Staat nicht länger als – und auch das nur im Extremfall – 25 Jahre andauern wird.
Im Jahr 1977 entschied übrigens das Bundesverfassungsgericht mit Bezugnahme auf das Rechtsstaatsprinzip und die Menschenwürde, dass die Möglichkeit für einen Strafgefangenen nach 30 oder womöglich erst 40 Jahren evtl. wegen guter Führung begnadigt zu werden, entschieden zu wenig sei. So sei die lebenslange Freiheitsstrafe mit dem Grundgesetz soeben noch vereinbar, niemals jedoch als absolute Strafe im Sinne einer „Strafverbüßung bis zum Tode“.
Zu den Delikten, die zwingend mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu ahnden sind zählen unter anderem: Mord nach § 211 StGB, besonders schwerer Fall des Totschlags nach § 212 II StGB, Völkermord nach § 6 I Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 I, II VStGB. – Ende –

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